Scoringbewertung über Unternehmen ohne sachliche Basis unzulässig

Das OLG Frankfurt a.M. hat eine Ratingagentur zur Unterlassung einer schlechten Unternehmensbewertung verurteilt, da für die Scoringbewertung jeglicher sachlicher Anknüpfungspunkt fehlt und die schlechte Bewertung daher einen unzulässigen Eingriff in den Gewerbebetrieb darstellt.

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt seit den 1990er Jahren ein Unternehmen im Bereich der Luftfahrtindustrie. Insolvenz oder Zahlungsausfälle kamen bisher nicht vor. Die Beklagte sammelt in der von ihr betriebenen Wirtschaftsauskunftei Informationen und Analysen über Unternehmen sammelt und erstellt hieraus Bonitätsauskünfte, die auf Anfrage Dritten zur Verfügung gestellt werden.

Die Beklagten bewertete die Klägerin mit dem schlechtesten von vier Werten: "Risikoindikator 4". "Das Ausfallrisiko wird als hoch eingestuft" sowie "Sicherheiten empfohlen" hieß es weiter in der Bewertung der Klägerin, auf die diese durch eine ihrer Kundinnen aufmerksam gemacht wurde. Die Klägerin wandte sich daraufhin anwaltlich an die Beklagte und forderte Aufklärung. Die Beklagte stufte die Klägerin danach eine Stufe besser mit "3" und das Ausfallrisiko mit "überdurchschnittlich" ein.

Die Klägerin erhob hierauf beim Landgericht Darmstadt Klage gegen die Beklagte mit dem Antrag, es zu unterlassen, gegen über Dritten eine schlechte Risikoeinschätzung der Klägerin abzugeben und ihr Ausfallrisiko als hoch einzustufen.

Entscheidung Vorinstanz

Das Landgericht Darmstadt wies die Klage ab, da es sich bei den Scoringbewertungen lediglich um Werturteile handele, die - anders als Tatsachenbehauptungen - einer exakten Nachprüfung nicht zugänglich seien.

Entscheidung OLG Frankfurt a.M.

Auf die Berufung der Klägerin verurteilte das OLG Frankfurt a.M. die Beklagte antragsgemäß.

Die von der Beklagten abgegebene, äußerst negative Bewertung der Kreditwürdigkeit der Klägerin sei ohne jegliche sachliche Basis erfolg, so das Gericht. Das Vorgehen der Beklagten bei der Abgabe ihrer Bewertungen sei von einer verantwortungslosen Oberflächlichkeit geprägt und verletze das Recht der Klägerin, keine rechtswidrigen Eingriffe in ihren Gewerbebetrieb erleiden zu müssen.

Maßstab für das Ratingagenturen erlaubte Verhalten sei § 28 b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Hiernach dürfe ein "Wahrscheinlichkeitswert für ein bestimmtes zukünftiges Verhalten erhoben oder verwendet werden, wenn die zur Berechnung des Wahrscheinlichkeitswertes genutzten Daten unter Zugrundelegung eines wissenschaftlich anerkannten mathematischstatistischen Verfahrens nachweisbar für die Berechnung der Wahrscheinlichkeit des bestimmten Verhaltens erheblich sind".

Zwar seien die sogenannten "Scoreformeln" selbst sowie die Basisdaten nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 14.01.2014 (VI ZR 156/13, MIR 2014, Dok. 025) als geschütztes Geschäftsgeheimnis der Ratingagentur anzusehen. Vorliegend erwecke die Beklagte bei ihren Kunden aus der Wirtschaft aber den Eindruck einer umfassenden Verwertung der verschiedensten Variablen über das bewertete Unternehmen. Genauer betrachtet stütze sie die schlechte Bewertung der Klägerin vorliegend jedoch einzig und allein darauf, dass es sich bei der Klägerin nicht um eine Kapitalgesellschaft, sondern einen eingetragenen Einzelkaufmann handele. Das reiche nicht aus, da die Verwertung dieses Einzelfaktors dem Maßstab einer komplexen, auf statistischen und wissenschaftlichen Algorithmen beruhenden Bewertung nicht genüge.

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 07.04.2015, Az.: 24 U 82/14

Quelle: PM des OLG Frankfurt a.M. vom 13.04.2015