Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 11.08.2015 entschieden, dass es sich bei der Äußerung eines Patienten auf einem Bewertungsportal dahingehend, dass er aus der Praxis gerannt sei, um eine von der Meinungsfreiheit geschützte Äußerung handele und der Arzt daher kein Anspruch auf Löschung habe.
Sachverhalt: Arzt verlangt Löschung einer negativen Bewertung
Der Kläger ist niedergelassener Arzt in Bonn. Ende November 2014 entdeckte er eine Patientenbewertung, die auf der Homepage des beklagten Bewertungsportals ersichtlich war. Die Bewertung lautete inhaltlich wie folgt:
"Der eigentlich freundliche Arzt hat mir nur leider mehrere Gründe gegeben, nach der Behandlung ohne einen neuen Termin herauszurennen."
Im Anschluss wurden fünf Gründe aufgeführt.
Der betroffene Arzt wies gegenüber dem Bewertungsportal die Vorwürfe mit ausführlicher Begründung zurück. Daraufhin wurde die Bewertung abgeändert, indem die ursprünglich aufgeführten fünf Gründe entfernt wurden, dafür jedoch angefügt wurde:
" alles in allem der absolut falsche Arzt schade."
Der Arzt erhob Klage vor dem Amtsgericht München auf Abänderung des Eintrags dahin, dass nicht weiter behauptet wird, es sei ein Herausrennen aus der Praxis erfolgt. Hierbei handele es sich um eine unzutreffende Tatsachenbehauptung, da die Patientin die Praxis ganz normal verlassen habe und nicht herausgerannt sei. Die Bewertung sei daher unsachlich und komme einer Schmähkritik gleich.
Kurz nach Klageerhebung wurde der Eintrag durch das Bewertungsportal wie vom Arzt gefordert gelöscht. Das beklagte Bewertungsportal hat ihm die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413 Euro erstattet. Die Parteien stritten also nur noch darüber, wer die Kosten des Klageverfahrens zu tragen hat.
Urteil: Meinungsäußerung in negativer Bewertung hinzunehmen
Das Amtsgericht München entschied, dass der Arzt die Kosten in Höhe von 1.130 EUR tragen muss, da er den Prozess verloren hätte. Er hatte keinen Anspruch darauf, dass die Veröffentlichung gelöscht wird.
"Herausrennen aus der Praxis" ist Meinungsäußerung
Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei der Formulierung "Herausrennen aus der Praxis" nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Meinungsäußerung, da die Patientin hierbei ihre Unzufriedenheit bezüglich der durchgeführten Arztbehandlung zum Ausdruck bringe. Das Recht der Portalbetreiberin gemäß Art. 5 Abs. I Grundgesetz (Recht auf Kommunikationsfreiheit) überwiege das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung, d.h. sein Recht, selbst zu bestimmen, was über ihn verbreitet wird.
Grenze zur Schmäkritik nicht erreicht
Ein Bewertungsportalbetreiber sei in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit im Sinne von Art. 5 Grundgesetz einbezogen und die Pflicht zur Löschung von Einträgen würde seine Tätigkeit in nicht unerheblicher Weise einschränken. Der Arzt würde durch die Eintragung nur in seiner beruflichen Sozialsphäre berührt. In diesem Bereich muss sich jeder einzelne wegen der Auswirkungen, die seine Tätigkeit für andere hat, von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch die breite Öffentlichkeit und auf Kritik an seinen Leistungen einstellen. Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre können nach der Rechtsprechung nur im Falle von schwerwiegenden Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden. Dies ist etwa der Fall bei Stigmatisierung, sozialer Ausgrenzung oder wenn jemand dadurch an den Pranger gestellt wird.
Die in Rede stehende Äußerung hat keine schwerwiegende Auswirkung auf das Persönlichkeitsrecht des Klägers, so dass insoweit bei Durchführung einer entsprechenden Abwägung das Recht der Beklagten auf Kommunikationsfreiheit überwiegt. Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Löschung der Bewertung.
AG München, Beschluss vom 11.8.2015, Az.: 161 C 7001/15
Quelle: PM des AG München vom 11.12.2015