Sowohl das deutsche Recht (Designrecht) als auch das europäische Recht (Geschmackmusterrecht) gewähren Schutz nur für Gestaltungen, die neu sind und Eigenart aufweisen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, prüfen die Ämter im Eintragungsverfahren jedoch nicht. Beim eingetragenen Design bzw. Geschmacksmuster handelt es sich daher um ein ungeprüftes Recht. Ist eine Gestaltung als Design bzw. Geschmacksmuster eingetragen, bedeutet dies daher nicht, dass Neuheit und Eigenart im Zeitpunkt der Anmeldung tatsächlich vorlagen. Wird man wegen Designrechtsverletzung abgemahnt, gilt es daher stets als erstes zu prüfen, ob das Design tatsächlich neu und eigenartig ist.
Wann ist ein Design neu?
Ein Design (Muster) gilt als neu, wenn vor dem Zeitpunkt der Anmeldung (bzw. dem Prioritätstag) kein älteres identisches Design (Muster) offenbart worden ist. Identität liegt vor, wenn das jüngere Design jedes einzelne Element aufweist, aus dem das ältere Design besteht. Ein Design (Muster) kann daher nicht neu sein, wenn es in einem komplexeren älteren Design (Muster) enthalten ist. Designs (Muster) gelten als identisch, wenn sich ihre Merkmale nur in unwesentlichen Einzelheiten unterscheiden. Unwesentliche Unterschiede sind z.B. nur geringfügige Unterschiede in der Größe, in Proportionen oder des Farbmusters.
„Offenbart“ ist ein Design (Muster), wenn es der Öffentlichkeit so zugänglich gemacht wird, dass die in Deutschland (Design) bzw. in der Europäischen Union (Geschmacksmuster) tätigen Fachkreise des betreffenden Wirtschaftszweigs die Möglichkeit hatten, das Design zur Kenntnis zu nehmen. Grundsätzlich kann ein Design (Muster) irgendwo auf der Welt offenbart werden und mithilfe unterschiedlicher Quellen (z. B. durch Veröffentlichung in einem Katalog, Ausstellung auf einer Handelsmesse, Anbieten auf Amazon, Darstellung in Patentschriften, Beiträge auf Social Media). Auch Offenbarungen außerhalb von Deutschland bzw. der EU sind daher neuheitsschädlich, sofern die Fachkreise von diesen hätten Kenntnis nehmen können (z.B. bekannte Ausstellungen oder Leitmessen, mögen diese auch in Asien oder Amerika stattfinden).
Zu den häufigsten Quellen der Offenbarung im Internet zählen Webseiten, Onlineshops, Social Media und Apps. Aber auch E-Mails kommen z.B. in Betracht, insbesondere E-Mails, die der Förderung des Verkaufs von Erzeugnissen dienen und die an eine Vielzahl von Adressaten geschickt werden.
Praxishinweis:
Unternehmen sollten daher strikt darauf achten, dass sie ihre Erzeugnisse nicht vor Anmeldung als Design bzw. der 12 monatigen Schonfrist auf der eigenen Webseite oder in Social Media Beiträgen offenbaren. Spätestens Abgemahnte suchen akribisch nach Vorveröffentlichungen.
Wann besitzt ein Design Eigenart?
Bei der Beurteilung der Eigenart ist der Gesamteindruck, den das Design (Muster) hervorruft, maßgeblich. Der Gesamteindruck des Designs (Musters) muss sich von dem Gesamteindruck anderer Gestaltungen, die vor dem Anmeldetag (bzw. Prioritätstag) des Designs (Musters) veröffentlicht worden sind, unterscheiden.
Die Eigenart eines Geschmacksmusters ist dabei durch Vergleich mit einem oder mehreren genau bezeichneten, einzeln benannten Geschmacksmustern zu prüfen, die aus der Gesamtheit der der Öffentlichkeit zugänglich gemachten älteren Geschmacksmuster ermittelt und bestimmt wurden. Demzufolge kann diese Prüfung nicht durch Vergleich mit einer Kombination bestimmter isolierter Elemente von mehreren älteren Geschmacksmustern vorgenommen werden.
Entscheidend kommt es auf die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Designs (Musters) an. Je größer die Gestaltungsfreiheit ist, desto mehr muss sich das Design (Muster) von vorbekannten Gestaltungen (sog. vorbekannter Formenschatz) unterscheiden. Berücksichtigt wird auch, ob in dem jeweiligen Sektor bereits eine Vielzahl an ähnlichen Designs (Mustern) existiert. In diesem Fall können die Anforderungen an den Unterscheidungsgrad entsprechend geringer sein.
Die Beurteilung der Eigenart eines Designs (Musters) erfolgt im Wesentlichen in einer Prüfung in vier Schritten. Diese Prüfung besteht darin,
- erstens den Bereich der Erzeugnisse, in die das Design (Muster) eingefügt oder in denen es benutzt werden soll, zu bestimmen,
- zweitens den informierten Benutzer dieser Waren je nach ihrer Zweckbestimmung und mit Bezug auf diesen informierten Benutzer den Grad der Kenntnis vom Stand der Technik sowie den Grad der Aufmerksamkeit beim möglichst unmittelbaren Vergleich der Geschmacksmuster,
- drittens den Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Designs (Musters) und
- viertens das Ergebnis des Vergleichs der in Rede stehenden Designs (Muster) unter Berücksichtigung des betreffenden Sektors, des Grads der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers und der Gesamteindrücke, die vom Design (Muster) und von jedem älteren, der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Design (Muster) beim informierten Benutzer hervorgerufen werden.
Wer ist der „informierte Benutzer“?
Der „informierte Benutzer“ ist jemand, der gewisse Kenntnisse der verschiedenen Designs (Muster) hat, die es in dem betroffenen Wirtschaftsbereich gibt, ohne notwendigerweise zu wissen, welche Aspekte eines Erzeugnisses ausschließlich technisch bedingt sind. Der „informierte Benutzer“ ist daher weder Hersteller noch Verkäufer der Erzeugnisse, in welche das betreffende Design (Muster) aufgenommen werden soll.
Je nach der Art des Erzeugnisses, in welches das betreffende Design (Muster) aufgenommen werden soll (etwa Werbeartikel), kann der Begriff des informierten Benutzers sich sowohl auf Fachleute beziehen, die die betreffenden Erzeugnisse kaufen, um sie an Endbenutzer weiter zu vertreiben als auch auf Endbenutzer. Rufen die betreffenden Designs (Muster) in der Wahrnehmung einer der beiden Gruppen denselben Gesamteindruck hervor, ist das Design (Muster) fehlt es an der Eigenart.