Das Anhängen an fremde Angebote auf Amazon ist mit zahlreichen rechtlichen Fallstricken verbunden. Insbesondere, wenn Händler unter Eigenmarken Waren auf Amazon erstmals einstellen, andere Händler sich an diese Angebote anhängen, diese jedoch tatsächlich nicht Waren mit der Eigenmarke anbieten, droht Gefahr. Insbesondere in Form von kostspieligen Abmahnungen wegen Markenrechtsverletzung und Irreführung. Schließlich drohen beim Anhängen auch Urheberrechtsverletzungen, wenn Produktfotos mit einem Schriftzug des Ersteinstellers versehen sind.
Mit nachfolgenden Antworten wollen wir häufig gestellte Fragen in Kürze beantworten; diese ersetzen jedoch keine rechtliche Beratung im Einzelfall.
Was versteht man unter "Anhängen" an ein Angebot bei Amazon?
Amazon vergibt für jedes Produkt, das auf Amazon eingestellt werden soll, an den Ersteinsteller eine individuelle Nummer zur Identifikation (ASIN = Amazon Standard Identification Number). Will ein Händler ein identisches Produkt auf Amazon anbieten, kann und soll er sich nach dem Willen von Amazon an das Angebot des Ersteinstellers anhängen. Das Angebot des sich anhängenden Händlers wird in diesem Fall derselben ASIN zugeordnet mit der Folge, dass bei Aufruf des Produktes des Ersteinstellers auch die Angebote sämtlicher sich anhängender Mitbewerber angezeigt werden, die das Produkt ggf. zu niedrigeren Preisen als der Ersteinsteller anbieten.
Den Ersteinsteller ärgern nicht nur etwaige niedrigere Preise, sondern auch, dass er Mühe und Kosten der Angebotseinstellung allein trägt, während seine Wettbewerber ohne eigene Kosten hiervon partizipieren. Daher fragen sich viele Amazon-Händler, ob bzw. und unter welchen Umständen das Anhängen an fremde Angebote unzulässig ist.
Ist das Anhängen an ein Angebot auf Amazon per se wettbewerbswidrig?
Nein. Kommen keine weiteren Umstände hinzu wie Markenrechtsverletzung oder Irreführung ist das Anhängen an fremde Angebote nach der Rechtsprechung zulässig, wenn dasselbe Produkt von demselben Hersteller angeboten wird. Allein der Umstand, dass der sich anhängende Wettbewerber die Kosten für die Vergabe der ASIN Nummer oder Erstellung der Angebotstexte und Produktfotos spart oder mittelbar von den Werbebemühungen des Ersteinstellers profitiert, führt nicht zur Annahme eines wettbewerbswidrigen Verhaltens.
Ist das Anhängen an ein Angebot auf Amazon urheberrechtswidrig, wenn Texte und Produktfotos in das eigene Angebot übernommen werden?
Nein. Bei den Angebotstexten, insbesondere der Produktbeschreibung ist schon fraglich, ob diese überhaupt urheberrechtlich geschützt sind. Zwar können auch kurze Texte Urheberrechtsschutz genießen, aber auch diese müssen eine gewisse Schöpfungshöhe aufweisen, also eine persönliche Note bzw. Handschrift aufweisen. Hieran dürfte es bei Produktbeschreibungen fehlen, da diese sich auf Sachangaben beschränken.
Nicht anders sieht es im Ergebnis bei den Produktfotos aus. Zwar ist jedes Foto, also auch jedes Produktfoto urheberrechtlich geschützt (entweder als Lichtbildwerk gem. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG oder als Lichtbild gem. § 72 UrhG). Jedoch verneint die Rechtsprechung eine Urheberrechtsverletzung durch den Anhängenden. Dies entweder mit dem Hinweis darauf, dass der Anhängende das Produktfoto nicht eingestellt hat (so das LG München I, Urteil vom 26.03.2013, Az.: 33 O 19285/12, OLG München, Urteil vom 27.03.2014, 6 U 1859/13) oder weil der Ersteinsteller anderen Amazon-Händlern aufgrund der bekannten Funktionsweise von Amazon jedenfalls stillschweigend ein Nutzungsrecht an den Produktfotos einräumt (so z.B. LG Köln, Urteil vom 13.02.2014, 14 O 184/13). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Ersteinsteller das Produktfoto mit seinem Schriftzug versehen hat.
Sofern Gerichte eine Urheberrechtsverletzung bejahten (so z.B. LG Stuttgart, Urteil vom 25.02.2014, Az.: 17 S 4/13), verneinten sie jedoch das Verschulden mit der Folge, dass der Anhängende jedenfalls nicht zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist.
Wann ist das Anhängen an ein Angebot auf Amazon wettbewerbswidrig?
Wettbewerbswidrig ist das Anhängen an ein fremdes Angebot z.B. dann, wenn der Anhängende tatsächlich nicht dasselbe Produkt von demselben Hersteller verkauft, sondern ein gänzlich anderes Produkt oder „dasselbe" Produkt von einem anderen Hersteller. In diesem Fall täuscht der Anhängende über den Inhalt seines Angebots, nämlich über die angebotene Ware bzw. die betriebliche Herkunft der Ware. Dies ist nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG unzulässig und daher wettbewerbswidrig. In diesem Fall steht Wettbewerbern ein Unterlassungsanspruch nach § 8 UWG zu (so z.B. LG Düsseldorf, Urteil vom 28.05.2014, Az.: 2a O 277/13 und Urteil vom 20.01.2014, Az.: 2a O 58/13; LG Essen, Beschluss vom 14.03.2014, Az.: 43 O 40/14).
Wann stellt das Anhängen an ein Angebot auf Amazon eine Markenrechtsverletzung dar?
Dies ist z.B. dann der Fall, wenn das Produkt des Ersteinstellers markenrechtlich geschützt ist und diese Marke in der „von-Zeile" angegeben ist. Bietet der Anhängende nicht exakt das vom Ersteinsteller eingestellte identische Markenprodukt an, stellt das Anhängen (neben einer Irreführung) auch eine Markenverletzung dar. In diesem Fall steht dem Markeninhaber ein Unterlassungsanspruch zu (so z.B. LG Köln, Beschluss vom 21.10.2014, Az.: 81 O 100/14; LG Düsseldorf, Urteil vom 28.05.2014, Az.: 2a O 277/13; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.05.2015, Az.: I-20 U 92/14, LG Düsseldorf, Urteil vom 20.01.2014, Az.: 2a O 58/13).
Wann verletzt das Anhängen an ein Angebot auf Amazon ein Unternehmenskennzeichen?
Dies ist z.B. der Fall, wenn in der "von-Zeile" ein Unternehmenskennzeichen (z.B. eine Firma) angegeben ist. Bietet der Anhängende nicht exakt das vom Ersteinsteller angebotene identische Produkt dar, kann in dem Anhängen eine Verletzung des Unternehmenskennzeichens des Einstellers liegen (so z.B. OLG Hamm, Urteil vom 05.03.2013, 4 U 139/12).
Welche Rechtsfolgen drohen bei einem unzulässigen Anhängen an Angebote auf Amazon?
Stellt das Anhängen an ein fremdes Angebot eine Wettbewerbsverletzung, Marken- oder Kennzeichenverletzung dar, kann der Anhängende abgemahnt und zur Unterlassung und Beseitigung sowie zur Zahlung von Abmahnkosten und Schadensersatz aufgefordert werden. Aufgrund der hohen Unterlassungsstreitwerte in Wettbewerbs- und Kennzeichensachen (so nahm das OLG Hamm einen Unterlassungsstreitwert von 50.000 EUR an), beziffern sich allein die Abmahnkosten oft auf mindestens 1.500 EUR. Hinzu können nicht unerhebliche Lizenzgebühren wegen der Kennzeichenverletzung kommen.