Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass die Aufhebung einer Sperre eines gewerblichen eBay-Kontos grundsätzlich nicht im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Nur in engen Ausnahmefällen komme eine Aufhebung im Eilverfahren in Betracht. Dies setze voraus, dass eine existenzielle Notlage bestehe; nur negative wirtschaftliche Einbußen genügten jedoch nicht (OLG Brandenburg, Urt. v. 21.07.2022 - Az.: 10 U 65/22).
Sachverhalt: Sperrung gewerblicher Konten auf eBay
Der Kläger unterhielt auf eBay zwei gewerbliche Nutzerkonten, auf denen u.a. Angebote für Softwareprogramme eingestellt worden waren. Auf Meldungen Dritter wegen Rechtsverletzungen, sperrte eBay beide Nutzerkonten. In den Meldungen wurde mitgeteilt, dass es sich um Angebote von Softwareprogrammen für einen bestimmten Personenkreis handele, wobei der „Product Key“ sich jeweils auf eine Lizenz für Kunden im Ausland bezogen habe und dieser „Product Key“ stets bereits wiederholt aktiviert worden sei.
Der Kläger forderte eBay auf, die Deaktivierung seiner kommerziellen eBay-Konten umgehend aufzuheben. Da eBay die Sperre nicht aufhob, beantragte der Kläger im Wege des Eilverfahrens eBay zur Aufhebung der Sperre zu verurteilen.
Vor dem Landgericht hatte der Eilantrag zunächst Erfolg. Auf die Beschwerde von eBay wies das OLG den Eilantrag jedoch sowohl als unzulässig als auch als unbegründet zurück.
OLG Brandenburg: Aufhebung einer eBay Sperre kann grundsätzlich nicht im Eilverfahren durchgesetzt werden
Zulässiger Eilantrag setzt Eilbedürftigkeit voraus
Nach Ansicht des OLG fehlte es bereits an der erforderlichen Eilbedürftigkeit, da der Kläger 11 Wochen gewartet hatte, bevor er die gerichtliche Aufhebung der Sperren beantragte. Einen Grund für das Abwarten konnte der Kläger nicht benennen:
"In der Ladungsverfügung hat der Senat darauf hingewiesen, dass allein der Umstand, dass der Verfügungskläger elf Wochen abgewartet hat, um gegen die Sperrung der beiden Nutzerkonten vorzugehen, gegen die für ein Verfügungsverfahren erforderliche Dringlichkeit spricht. (...).
Infolge Selbstwiderlegung fehlt ein Verfügungsgrund, wenn der Antragsteller die Annahme der Dringlichkeit durch sein eigenes Verhalten ausgeschlossen hat, insbesondere weil er nach Eintritt der Gefährdung seines Rechts lange Zeit mit einem Antrag zugewartet oder das Verfügungsverfahren nicht zügig betrieben hat (…).
Eine späte Antragstellung ist dann schädlich, wenn dem Gläubiger die Gefährdung seiner Rechtstellung bekannt war oder aus grober Fahrlässigkeit unbekannt blieb (…). Liegt nämlich ein Wissen über die Gefährdung seiner Rechtstellung vor, hat sich der Antragsteller unverzüglich darüber klar zu werden, ob er gegen den Verletzungstatbestand vorgehen will (…).
Im Hinblick auf das ihm vorgehaltene Abwarten von elf Wochen zwischen den Kontosperrungen am 11.10.2021 und der Antragstellung unter dem 21.12.2021 mit Eingang beim Landgericht am 27.12.2021 erklärt der Verfügungskläger im Schriftsatz vom 06.05.2022 lediglich, es könnten keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass auf seiner Seite kein „dringlichkeitsschädliches Zuwarten“ vorliege (…). Er zitiert insoweit das OLG Hamm, wonach die zeitliche Obergrenze bei drei Monaten liege. Das ergibt sich aus der angeführten Entscheidung aber gerade nicht. Vielmehr hat das OLG Hamm in dem von ihm entschiedenen Fall eine fehlende Dringlichkeit wegen des Zuwartens über ca. drei Monate hinweg angenommen (…). Daraus lässt sich nicht schließen, dass das OLG Hamm bei einem Zuwarten über elf Wochen hinweg noch von Dringlichkeit ausgegangen wäre.
Gerade weil der Verfügungskläger geltend macht, die Sperrung seiner Konten durch die Verfügungsbeklagte habe ihn und seine Familie in der Existenz bedroht, hätte es nahegelegen, umgehend nach der Sperrung der Konten am 11.10.2021 den Versuch zu unternehmen, eine Unterlassungsverfügung gegen die Verfügungsbeklagte zu erwirken. Indem der Verfügungskläger stattdessen elf Wochen bis zur Antragstellung unter dem 21.12.2021, mit Eingang beim Landgericht erst am 27.12.2021, abgewartet hat, hat er die Vermutung, dringend auf einstweiligen Rechtsschutz angewiesen zu sein, selbst widerlegt. Dem steht nicht der Umstand entgegen, dass es nach dem 11.10.2021 noch schriftlichen Austausch zwischen den Parteien gegeben hat.“
Antrag auf Aufhebung eBay Sperre im Eilverfahren grundsätzlich nicht zulässig
Da es bereits an der Eilbedürftigkeit fehlte, konnte das Gericht offenlassen, ob ein Antrag auf Aufhebung einer eBay Sperre überhaupt im Eilverfahren zulässig sei. Hieran äußerte das Gericht erhebliche Zweifel, da im Eilverfahren die Hauptsache (= Aufhebung Sperre) ncht vorweggenommen werde darf:
"Der Hauptantrag (...) lautet dahin, der Verfügungsbeklagten aufzugeben, die von ihr (…) vorgenommene Löschung der von ihm auf seinen beiden Nutzerkonten mit den Bezeichnungen „…“ und „…“ eingestellten Verkaufsangebote unverzüglich rückgängig zu machen und diese Verkaufsangebote wieder in diese beiden Nutzerkonten unverzüglich einzustellen; ebenso die von ihr (…) vorgenommene Sperrung seines Accounts bei ihr mit den beiden Nutzerkonten mit den Bezeichnungen „…“ und „…“ mit sofortiger Wirkung aufzuheben. (…) Dieser Antrag stellt ohne Zweifel eine Vorwegnahme der Hauptsache dar. (…)
Im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des einstweiligen Verfügungsverfahrens als summarisches Erkenntnisverfahren (…) ist eine Vorwegnahme der Hauptsache grundsätzlich unzulässig (…). Die Hauptsache darf daher durch eine einstweilige Verfügung nur unter besonderen, engen Voraussetzungen vorweggenommen werden (…). Das betrifft Fälle, in denen der Antragsteller dringend auf einen gerichtlichen Titel angewiesen ist und ihm ein Abwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zugemutet werden kann (…). Dabei müssen die ohne Erlass eines Titels drohenden Nachteile nicht nur schwer wiegen, sondern darüber hinaus außer Verhältnis zu den dem Schuldner drohenden Schäden stehen (…).“
Antrag auf Aufhebung eBay Sperre im Eilverfahren nur bei existentieller Notlage zulässig
Eine Aufhebung der Sperre im Eilverfahren sei daher nicht schon bei finanziellen Schäden zulässig. Erforderlich sei, dass aufgrund der Sperre eine existentielle Notlage drohe.
"Daher kann die einstweilige Verfügung in Bezug auf einen Hauptsacheanspruch regelmäßig nur in den Fällen einer existentiellen, irreparablen Schädigung der Antragstellerin ergehen (…). Es genügt nicht, dass ohne den Erlass der beantragten Verfügung die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder dass das Anliegen des Antragstellers darauf gerichtet ist, wesentliche Nachteile abzuwenden (…). Vielmehr muss der Gläubiger so dringend auf die sofortige Erfüllung seines Leistungsanspruches angewiesen sein oder müssen ihm so erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen, dass ihm ein Zuwarten oder eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach Wegfall des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs nicht zumutbar ist. Bei wirtschaftlichen Nachteilen ist insoweit erforderlich, dass der Gläubiger anderenfalls in eine existentielle Notlage geriete (…)“
Kläger muss existentielle Notlage wegen eBay Sperre darlegen und glaubhaft machen
Diese Gefahr einer solchen Notlage müsse der Kläger detailliert darlegen und mittels entsprechender Unterlagen glaubhaft machen. Diesen Anforderungen sei der Kläger jedoch nicht nachgekommen:
"Ob der Verfügungskläger unter Berücksichtigung dieser Grundsätze berechtigt war, einen Antrag zu stellen, der bei Stattgabe eine Vorwegnahme der Hauptsache zur Folge hätte, kann offenbleiben.
Allerdings unterlag das Vorbringen des Verfügungsklägers zu einer existenziellen Notlage jedenfalls im Zeitpunkt der Ladungsverfügung vom 21.04.2022 erheblichen Zweifeln. Wohl hatte der Verfügungskläger zunächst das Wegbrechen eines bedeutenden Internetmarktplatzes glaubhaft gemacht, nicht aber eine Bedrohung seiner wirtschaftlichen Existenz. Bemerkenswert ist insoweit, dass der Verfügungskläger stets allein die erzielten Umsätze, zunächst lediglich hinsichtlich digitaler Software, später auch hinsichtlich physischer Software, dargestellt hat (…). Um eine existenzielle Notlage darlegen zu können, hätte es eher nahegelegen, Einkommensteuererklärungen und gegebenenfalls Einkommensteuerbescheide vorzulegen. Denn es war nicht ausgeschlossen, dass der Verfügungskläger noch über andere Einnahmen oder auch Vermögen verfügt.“