Der IDO-Verband versendet seit Jahren massenweise wettbewerbsrechtliche Abmahnungen an Onlinehändler. IDO fokussiert sich dabei auf die Abmahnung von kleinen Händlern, die auf eBay und Amazon verkaufen. Abgemahnt werden immer die gleichen Fehler. Viele Betroffene fragen sich, ob IDO überhaupt abmahnen darf? Das Landgericht Rostok hat mit Urteil vom 10.01.2019 jedenfalls die Aktivlegitimation von IDO bei Multimedia, Haushaltsgeräten und Elektroartikel verneint.
Unter welchen Voraussetzungen darf IDO abmahnen?
Um wettbewerbsrechtliche Abmahnungen auszusprechen, muss IDO aktivlegitimiert sein. Insofern beruft sich IDO auf § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Danach dürfen sog. rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen abmahnen, sofern ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben.
Welche Händler darf IDO abmahnen?
Dies bedeutet, dass IDO nur Händler aus den Bereichen abmahnen darf, für die IDO darlegen und beweisen kann, dass eine erhebliche Anzahl Händler aus diesem Bereich IDO-Mitglieder sind. In den Abmahnungen führt IDO zwar stets zahlreiche Urteile an, die „die Aktivlegitimation“ von IDO bestätigt haben sollen. Auf welchen Bereich (z. B. Elektronik, Kleidung, Bücher) sich diese Urteile beziehen, wird in den Abmahnungen jedoch nicht angeführt.
Da es keine "generelle Aktivlegitimation" von IDO gibt, sondern diese für jede Ware oder Dienstleistung zu prüfen ist, ist der Verweis von IDO auf die lange Liste von Urteilen aus rechtlicher Sicht untauglich.
Selbst wenn IDO zu einem bestimmten Zeitpunkt eine ausreichende Anzahl an Händlern aus einem bestimmten Bereich angehört haben sollten, kann sich dies jederzeit ändern, weil Händler ihre Mitgliedschaft kündigen oder ihre Tätigkeit einstellen oder andere Waren verkaufen.
Zahlreiche Gerichte verneinten bereits die Aktivlegitimation von IDO für bestimmte Bereiche
Demzufolge haben einige Gerichte in der Vergangenheit auch die Aktivlegitimation von IDO verneint. So wurde festgestellt, dass in den von IDO in Klageverfahren vorgelegten Mitgliederlisten Händler angeführt waren, die entweder nicht auf dem gleichen Markt tätig, nicht (mehr) IDO-Mitglied oder überhaupt nicht erreichbar waren. Beispielhaft sei auf das Urteil des LG München I vom 13.02.2017 (4 HKO 22005/16), das Urteil des LG Hildesheim vom 24.10.2017 (11 O 17/17), das Urteil des LG Rostock vom 14.08.2018 (6 HK O 149/17) sowie auf das Urteil des LG Bonn vom 15.05.2018 (11 O 49/17) verwiesen.
LG Rostock verneint Aktivlegitimation von IDO für Haushalts- und Elektronikartikel
Besondere Sorgfalt wandte das LG Rostock in seinem Urteil vom 10.01.2019 (Az.: 5a HK O 120/18) auf. In diesem Eilverfahren ging es um eine IDO Abmahnung an einen Händler, der Artikel aus dem Bereich Multimedia, Haushalt, Elektronik, Reinigung und Hygiene anbot.
Anders als viele andere Gerichte, die mit IDO-Abmahnungen befasst sind, prüfte das LG Rostock die Frage der Aktivlegitimation von IDO sehr eingehend und formal. Insbesondere begnügte sich das LG Rostock nicht mit der von IDO (erst im Termin zur mündlichen Verhandlung) vorgelegten Mitgliederliste. In der Abmahnung muss IDO (leider) noch keine Mitgliedernamen benennen.
IDO konnte weder Beitritts- noch Aufnahmeerklärungen von Mitgliedern vorlegen
Zunächst betonte das LG Rostock, dass es sich bei IDO um einen eingetragenen Verein handelt. IDO müsste daher – wie jeder Verein - die Mitgliedschaft seiner Mitglieder anhand von Beitrittserklärungen und Aufnahmen beweisen können. Solche Unterlagen konnte oder wollte IDO jedoch nicht vorlegen:
"Die Mitgliedschaft in einem Verein wird durch den Aufnahmevertrag begründet, also durch Beitrittserklärung des Neumitglieds und der Aufnahmeerklärung des Vorstands. In der vorgelegten Satzung wurde dies entsprechend geregelt. Die Klägerseite hat zu den jeweils benannten Mitgliedern nichts weiter zu den jeweiligen Beitritts- und Aufnahmeerklärungen vorgetragen. In den Mitgliederlisten wurde nur auf ein Aufnahmedatum verwiesen, ohne schlüssig zur jeweiligen Begründung des Mitgliedsverhältnisses vorzutragen. Der Vortrag zur Mitgliedschaft wurde zudem nicht durch Vorlage von Beitrittserklärungen oder Aufnahmeerklärungen glaubhaft gemacht. Allein die Vorlage selbst erstellter Auszüge aus Mitgliederlisten und selbsterstellter Auszüge der Finanzsoftware zu Beitragszahlungen reicht hier nicht. Auch die eidesstattlichen Versicherungen beziehen sich nicht auf konkrete Mitglieder und sind daher nicht zur Glaubhaftmachung tauglich. Letztlich gibt es zum Bestand der Mitglieder nur einen erweiterten Parteivortrag, an einer hinreichenden Glaubhaftmachung fehlt es.“
Darüber, warum IDO keine Beitritts- und Aufnahmeerklärungen vorlegen konnte oder wollte, darf spekuliert werden.
IDO konnte Umfang der Verkaufstätigkeit von Mitgliedern in bestimmten Branchen nicht darlegen
Zudem bemängelte das LG Rostock, dass IDO nicht schlüssig darlegen konnte, dass die als Mitglieder angeführten Unternehmen tatsächlich in einer bestimmten Branche tätig waren. IDO hatte in der mündlichen Verhandlung (lediglich) Mitgliederlisten vorgelegt, in denen (nur) der Name der Unternehmen und teilweise deren Webseiten angeführt waren. Für einzelne wenige Mitglieder legte IDO ferner Ausdrucke von Angebotsseiten und Onlineshop-Seiten vor. Dieser Vortrag genügte dem LG Rostock nicht:
"Aus den beispielhaften Abdrucken von Angeboten zu einzelnen Produkten lässt sich zudem nicht entnehmen, ob die jeweiligen Mitglieder tatsächlich in einem nennenswerten Umfang auf dem Markt tätig sind und mit der Beklagten in einem Wettbewerb stehen.“
Das rechtskräftige Urteil des LG Rostock erging in einem einstweiligen Verfügungsverfahren. IDO hat jedoch Hauptsacheklage eingereicht.
Praxistipp
Es lohnt sich also, IDO Abmahnungen nicht vorschnell nachzukommen, insbesondere die Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Bekanntlich "hofft" IDO auf einen Verstoß gegen die in der Unterlassungserklärung übernommenen Verpflichtungen. Bei Verstößen ist IDO berechtigt, eine Vertragsstrafe vom Händler zu fordern. Diese beziffert IDO - je nach Verstoß bzw. Anzahl der Verstöße - zwischen 3.000 EUR und 5.000 EUR. Geld, dass man besser in eine Prüfung der Berechtigung der IDO-Abmahnung und eine Shopüberprüfung investieren sollte.
Vor Abgabe einer Unrerlassungserklärung müssen daher unbedingt die abgemahnten Fehler beseitigt werden, und zwar auf allen Plattformen und im eigenen Onlineshop. Eine Beschränkung der Unterlassungserklärung auf eBay oder Amazon oder den eigenen Onlineshop ist nicht möglich.
Wir betreuen zahlreiche Mandanten, die von IDO abgemahnt wurden oder von denen IDO eine Vertragsstrafe wegen Verstoß gegen eine (oft vorschnell) abgegebene Unterlassungserklärung verlangt.