Das OLG Brandenburg hat mit Urteil vom 22.10.2019 entschieden, dass die Werbung mit „provisionsfrei“ im Zusammenhang mit der Vermittlung von Mietwohnungen nach der Einführung des sog. „Bestellerprinzips“ eine irreführende Werbung mit einer Selbstverständlichkeit darstellt und daher wettbewerbswidrig ist.
Sachverhalt: Makler wirbt mit „provisionsfrei“ für Mietwohnungen trotz Vermieterauftrag
Die Beklagte betreibt eine Plattform für Immobilienangebote, darunter auch Mietwohungen. Ihre Angebote bewarb sie der Angabe „provisionsfrei“, und zwar auch in Bezug auf solche Mietwohnungen, für die ihr vom Vermieter ein Vermittlungsauftrag erteilt worden war.
Der Kläger, ein Verband zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, sah in der Werbung mit der Angabe "provisionsfrei" eine unzulässige Werbung mit einer Selbstverständlichkeit und mahnte die Beklagte wegen Wettbewerbsverstoß ab. Da die Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab, erhob die Klägerin Klage auf Unterlassung gegen die Beklagte.
Das LG Neuruppin gab der Klage statt, die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.
Urteil: Werbung mit „provisionsfrei“ für Mietwohnung ist irreführende Werbung mit einer Selbstverständlichkeit
Das OLG Brandenburg bestätigte das Urteil des LG, da es sich bei der Werbung mit „provisionsfrei“ um eine irreführende Werbung mit einer Selbstverständlichkeit handelt.
Auch objektiv richtige Angaben können irreführend sein
Die Angabe „provisionsfrei“ sei zwar objektiv richtig, erwecke bei dem angesprochenen Verkehrskreis jedoch den Eindruck, dass die Beklagte damit einen besonderen Vorteil gewähre. Dies sei aber nicht der Fall, da aufgrund der gesetzlichen Neuregelung des sog. „Bestellerprinzips“ (§ 2 Abs. 1 a WoVermRG) bei der Vermietung von Wohnraum nur derjenige den Makler bezahlen muss, der ihn beauftragt habe.
Nach dem "Bestellerprinzip" muss Auftraggeber Provision zahlen
Da die Beklagte die „provisionsfreien“ Angebote auf ihrer Plattform mit Exposés präsentierte, stehe fest, dass die Beklagte aufgrund eines Vermittlungsauftrages die Mietwohnungen bewirbt. Daher muss nach dem Gesetz der Vermieter, nicht der Wohnungssuchende die Maklerprovision zahlen. Die „Provisionsfreiheit“ ihrer Angebote sei daher kein besonderer Vorteil, sondern ergäbe sich aus dem Gesetz.
"Bestellerprinzip" noch nicht allgemein bekannt
Nach Ansicht des Gericht beeinflusst der durch die Angabe „provisionsfrei“ erweckte Eindruck eines besonderen Vorteils auch die Marktentscheidung der Wohnungssuchenden, denn ca. 1/3 von ihnen haben (noch) keine Kenntnis von dem 2015 eingeführten „Bestellerprinzip“.
Makler muss Angebote differenziert bewerben
Schließlich gehe auch die Interessenabwägung zulasten der Beklagten aus. Nach Ansicht des Gerichts wäre es der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, ihre Angebote auf der Plattform differenzierter darzustellen und den Hinweis auf die Provisionsfreiheit auf die Vermittlung von Gewerbe- und Kaufimmobilien zu beschränken.
OLG Brandenburg, Urteil vom 22.10.2019, Az. 6 U 54/18
Praxishinweis
Nach § 5 UWG sind irreführende Werbeangaben unzulässig und daher wettbewerbswidrig. Dabei ist zu beachten, dass auch objektiv richtige Angaben irreführend sein können, wenn sie bei einem erheblichen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise einen unrichtigen Eindruck erwecken.
Ein unrichtiger Eindruck kann z.B. entstehen, wenn Werbeangaben etwas Selbstverständliches in einer Weise betonen, dass der Leser der Werbung hierin einen besonderen Vorteil der beworbenen Ware oder Dienstleistung vermutet. Dies ist z.B. der Fall, wenn gesetzlich vorgeschriebene Eigenschaften oder Rechte von Verbrauchern besonders hervorgehoben werden, so dass der Verkehr annimmt, es werde mit einem Vorzug gegenüber Konkurrenzangeboten geworben, während es sich in Wahrheit jedoch um Eigenschaften bzw. Rechte handelt, die nicht „besonders“ sind.
Vorliegender Fall zeigt, dass auch Gesetzesänderungen dazu führen können, dass eine ehemals zulässige Werbeangabe nunmehr unzulässig wird. Bei Gesetzesänderungen müssen daher Angaben in Angeboten und in der Werbung ggf. der neuen Gesetzeslage angepasst, insbesondere Hinweise auf nunmehr „Selbstverständliches“ beseitigt werden.
Wettbewerbswidrige Angaben können nicht nur von Wettbewerbsverbänden, sondern auch von Wettbewerbern abgemahnt werden, was mit hohen Abmahnkosten verbunden ist. Zudem drohen nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung im Falle eines Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung vierstellige Vertragsstrafen.
Haben Sie eine Abmahnung wegen Wettbewerbsverstoß erhalten, stehe ich auch Ihnen gerne zur Verfügung. Aufgrund meiner jahrelangen Erfahrung im Wettbewerbsrecht, insbesondere bei Abmahnungen, verfüge ich über die erforderliche Sachkenntnis, um schnell und sicher einschätzen zu können, ob man Abmahnungen zurückweisen sollte oder man sich darauf beschränken sollte, Zahlungsforderungen der Gegenseite zu senken.