Nicht nur Abmahnvereine wie IDO, sondern auch Wettbewerber mahnen oft und gerne Verstöße gegen die Preisangabenverordnung ab. Ein Klassiker ist der Vorwurf, dass der Grundpreis nicht in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis angegeben wurde. Solchen Abmahnungen hat das LG Hamburg nunmehr einen Riegel vorgeschoben. Mit Urteil vom 20.8.2019 hat das LG Hamburg entschieden, dass der Grundpreis nicht in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises angegeben werden muss. Ausreichend ist, wenn der Grundpreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar ist.
Rechtlicher Hintergrund: Deutsche Preisangabenverordnung
Gem. § 2 Abs. 1 Preisangabenverordnung (PangV) muss bei Produkten, die nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche zu einem festen Preis angeboten werden, auch der Grundpreis angegeben werden. § 2 Abs. 1 S. 1 PangV lautet wie folgt:
"Wer Verbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder wer ihnen regelmäßig in sonstiger Weise Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet, hat neben dem Gesamtpreis auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises (…) anzugeben.“
Sachverhalt: Wettbewerbsverband mahnt Verstoß gegen Grundpreisangabe ab
Die Antragsgegnerin bot im Internet grundpreispflichtige Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel an, ohne dabei Grundpreis und Gesamtpreis in unmittelbarer Nähe anzugeben.
Der Antragsteller, ein Wettbewerbsverband, sah darin einen Verstoß gegen § 2 PangV und zugleich einen Wettbewerbsverstoß und mahnte die Antragsgegnerin zunächst ab. Da keine Unterlassungserklärung abgegeben wurde, beantragte die Antragstellerin sodann den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Diese wurde wie beantragt erlassen. Hiergegen legte die Antragsgegnerin Widerspruch ein und machte geltend, dass die EU Preisangabenrichtlinie, anders als die § 2 Abs. 1 PangV, nicht fordere, dass der Grundpreis in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis angegeben werden müsse. Daher sei § 2 Abs. 1 PangV europarechtskonform auszulegen.
LG Hamburg: Grundpreisangabe nicht in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis erforderlich
Das LG Hamburg schloss sich der Ansicht der Antragsgegnerin an und hob die einstweilige Verfügung auf.
Preisangabenverordnung geht über EU Preisangabenrichtlinie hinaus
Das LG Hamburg verwies auf den Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 der EU Preisangabenrichtlinie, in der es (lediglich) wie folgt heißt:
"Der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit müssen unmißverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, daß die Zahl der anzugebenden Preise begrenzt wird.“
Anders als § 2 Abs. 1 S. 1 PangV verlange die europäische Preisangabenrichtlinie gerade nicht, dass die Angabe des Grundpreises in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises zu erfolgen hat. Nach der EU Preisangabenrichtlinie genüge es den Grundpreis (nur) unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar anzugeben. Eine räumliche Nähe zwischen Grundpreis undGesamtpreis wird nicht gefordert.
Preisangabenverordnung richtlinienkonform auszulegen
Da die Mitgliedsstaaten seit dem 12.6.2013 keine Regelungen mehr vorsehen dürfen, die strenger sind als das EU-Recht, muss – so das LG Hamburg - § 2 Abs. 1 S. 1 PangV europarechtskonform ausgelegt werden.
"… dürfen die Vorschriften der Preisangabenverordnung wegen der Vollharmonisierung dieses Rechtsgebietes keine strengeren Anforderungen stellen als die maßgeblichen Normen des Europarechtes. […] Entgegen der Auffassung des Antragstellers setzt dies nicht notwendig voraus, dass der Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises angegeben wird. Dem Wortlaut der Norm nach ist eine unmissverständliche, klar erkennbare und gut lesbare Angabe des Grundpreises auch an anderer Stelle als in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises möglich.“
Grundpreis nicht in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis anzugeben
Das LG Hamburg stellte ausdrücklich klar, dass auch der Sinn und Zweck der Preisangabenverordnung (Verbesserung der Verbraucherinformation) nicht erfordere, dass der Grundpreis in unmittelbarer Nähe zum Gesamtpreis anzugeben ist:
"Nach dem 6. Erwägungsgrund trägt die Verpflichtung, den Verkaufspreis und den Preis je Maßeinheit anzugeben, merklich zur Verbesserung der Verbraucherinformation bei, da sie den Verbrauchern auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten biete, die Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen und somit anhand einfacher Vergleiche fundierte Entscheidungen zu treffen. Dieser Erwägungsgrund spricht im Gegenteil dafür, dass bereits die Regelung der Grundpreisangabe in Art. 4 Abs. 1 optimale Möglichkeiten zum Preisvergleich biete, ohne dass es zusätzlicher, im Wortlaut der Norm nicht enthaltener Anforderungen bedürfe.“
In diesem Zusammenhang wies das LG Hamburg daraufhin, dass bei einem Preisvergleich nicht der Grundpreis und der Gesamtpreis verglichen werden, sondern die Grundpreise verschiedener Artikel.
"Soweit der Antragsteller geltend macht, Grundpreis und Gesamtpreis müssten auf einen Blick wahrnehmbar sein, weil nicht ersichtlich sei, wie ein optimaler Preisvergleich möglich sein solle, wenn nicht beide Preise von dem Verbraucher auf einen Blick wahrgenommen werden können, verkennt der Antragsteller, dass Gegenstand des Preisvergleiches nicht Grundpreis und Gesamtpreis sind, sondern die Grundpreise verschiedener Artikel. Damit lässt sich kein Anhaltspunkt dafür feststellen, dass die EU-Preisangabenrichtlinie über ihren Wortlaut hinaus eine Grundpreisangabe in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises gefordert hätte.“
Grundpreis muss (nur) unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein
Demzufolge, so das LG Hamburg, genüge es, wenn der Grundpreis und der Gesamtpreis (Verkaufspreis) „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“ sind, was keine räumliche Nähe voraussetzt.
LG Hamburg, Urteil v. 20.8.2019, 406 HKO 106/19
Praxishinweis
Auch nach diesem Urteil muss bei grundpreispflichtigen Waren sowohl der Grundpreis als auch der Gesamtpreis angegeben werden. Nach dem Urteil des LG Hamburg steht jedoch fest, dass es keine Pflicht gibt, Grundpreis und Gesamtpreis in unmittelbarer Nähe anzugeben. Das bedeutet zwar nicht, dass der Grundpreis „irgendwo“ versteckt (z.B. mitten im Angebotstext) angegeben werden darf. Am Anfang von Produktbeschreibungen oder an einer sonstigen auffälligen Stelle sollte jedoch genügen.
Gerade Onlinehändler, die auf Verkaufsplattformen wie eBay & Co tätig sind, wird das Urteil erfreuen, war z.B. auf eBay nicht immer sichergestellt, dass auf Übersichts- oder Vorschauseiten der Grundpreis unterhalb des Gesamtpreises angezeigt wurde.